Gerade noch einmal Howard Rheingolds kurzen Artikel über Bryan Alexander und seine These von den „swarming nomads“ an US Colleges und Universitäten gelesen. Vielleicht ist es anders an US Universitäten, aber ich habe hier in Europa (jedenfalls im nicht-skandinavischen Europa) noch kaum echte „digitale Nomaden“ gesehen.
Ein paar Versprengte, eine Vorhut vielleicht, die interessant ist, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen … aber weit über 90 % aller der Studenten hier wirken selbst recht desorientiert angesichts der neuen Mediensituation. „Digital Natives“ sehen anders aus, obwohl alle Handys und eMails und sehr viele Google und Wikipedia nutzen.
Was ist also mit uns, mit dem Mainstream der entwurzelten Flüchtlinge, jung und alt, die es verschlagen hat in die „Wüste der Wirklichkeit“?
Die nun gezwungen sind, sich irgendwie durchzuschlagen, in provisorischen Unterkünften lebend, nachdem die Große Mauer, die unsere bürgerliche Bildungskultur schützte, endgültig durchbrochen ist.
Die ratlos sind, jetzt, da die alten verlässlichen Strukturen (die gewohnten Medienstrukturen und Wissensstrukturen) pulverisiert sind, ohne dass neue Strukturen schon wirklich an ihre Stelle getreten wären.
Die versuchen sich warmzuhalten am alten elektronischen Lagerfeuer des Fernsehens und per e-mail verzweifelte SOS-Botschaften aussenden, digitale Mikro-Flaschenpost. Die nun auch schon ständig in ihre mobilen Telefone sprechen, aber noch ohne eine Vorstellung, wie man die alten Medien-Nutzungsgewohnheiten (internalisiert/personenbezogen, intensiv, fokussiert) der neuen Medien-Umwelt (externalisiert, fragmentiert, beiläufig, vielschichtig) anpassen kann.
Die auf die Bildschirme starren und das Google Orakel befragen, aber immer noch sich zurücksehen nach der Großen Kaiserlichen Bibliothek und dem Großen Kaiserlichen Archiv, damals, als die Hochkultur noch in voller Blüte stand.
(Doch natürlich hatten nur die Wenigsten damals wirklichen Zugang zu diesen Schätzen, während die meisten sich begnügen mussten mit fehler- und bruchstückhaften Abschriften, aus dem Kontext gerissenen Exzerpten, mit denen all die anderen Städte und Dörfer des Reiches überflutet worden waren von den lügnerischen Gesandten des Allerhöchsten Kaiserlichen Hofes …)
[Ursprünglich nglisch gepostet am 31. Juli 2005, Mediatope-Blog,
http://phaidon.philo.at/martin/archives/000297.html]
Nomaden: Schwärmende Nomaden, verzweifelte Flüchtlinge
Gerade noch einmal Howard Rheingolds kurzen Artikel über Bryan Alexander und seine These von den „swarming nomads“ an US Colleges und Universitäten gelesen. Vielleicht ist es anders an US Universitäten, aber ich habe hier in Europa (jedenfalls im nicht-skandinavischen Europa) noch kaum echte „digitale Nomaden“ gesehen.
Ein paar Versprengte, eine Vorhut vielleicht, die interessant ist, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen … aber weit über 90 % aller der Studenten hier wirken selbst recht desorientiert angesichts der neuen Mediensituation. „Digital Natives“ sehen anders aus, obwohl alle Handys und eMails und sehr viele Google und Wikipedia nutzen.
Was ist also mit uns, mit dem Mainstream der entwurzelten Flüchtlinge, jung und alt, die es verschlagen hat in die „Wüste der Wirklichkeit“?
Die nun gezwungen sind, sich irgendwie durchzuschlagen, in provisorischen Unterkünften lebend, nachdem die Große Mauer, die unsere bürgerliche Bildungskultur schützte, endgültig durchbrochen ist.
Die ratlos sind, jetzt, da die alten verlässlichen Strukturen (die gewohnten Medienstrukturen und Wissensstrukturen) pulverisiert sind, ohne dass neue Strukturen schon wirklich an ihre Stelle getreten wären.
Die versuchen sich warmzuhalten am alten elektronischen Lagerfeuer des Fernsehens und per e-mail verzweifelte SOS-Botschaften aussenden, digitale Mikro-Flaschenpost. Die nun auch schon ständig in ihre mobilen Telefone sprechen, aber noch ohne eine Vorstellung, wie man die alten Medien-Nutzungsgewohnheiten (internalisiert/personenbezogen, intensiv, fokussiert) der neuen Medien-Umwelt (externalisiert, fragmentiert, beiläufig, vielschichtig) anpassen kann.
Die auf die Bildschirme starren und das Google Orakel befragen, aber immer noch sich zurücksehen nach der Großen Kaiserlichen Bibliothek und dem Großen Kaiserlichen Archiv, damals, als die Hochkultur noch in voller Blüte stand.
(Doch natürlich hatten nur die Wenigsten damals wirklichen Zugang zu diesen Schätzen, während die meisten sich begnügen mussten mit fehler- und bruchstückhaften Abschriften, aus dem Kontext gerissenen Exzerpten, mit denen all die anderen Städte und Dörfer des Reiches überflutet worden waren von den lügnerischen Gesandten des Allerhöchsten Kaiserlichen Hofes …)
[Ursprünglich englisch gepostet am 31. Juli 2005,
Mediatope]
prof - 5. Okt, 13:53